Der CV-Philisterzirkel "Buchonia" von seiner Gründung 1892 bis zu seinem Verbot 1938

Bemüht man den Duden, so erfährt man unter "Kartell", daß es sich dabei um einen Zusammenschluß studentischer Verbindungen mit gleicher Zielsetzung handelt, bei "Zirkel" um einen gesellschaftlichen Kreis und bei "Philistern" um Angehörige des Nachbarvolkes der Israeliten im A.T. und übertragen um Spießbürger, wobei die Studentensprache im Berufsleben stehende "Alte Herren"meint.

Nun kommt eine über das gängige Wörterbuch hinausgehende Unterscheidung von Cartell und Kartell hinzu. Gemeint ist einmal der CV als Cartellverband der farbentragenden, katholischen Studentenverbindungen, um den es sich hier handelt, und einmal um den KV als Kartellverband der nichtfarbentragenden katholischen Studentenverbindungen. Beide sind in Fulda stark vertreten. Soviel für jemanden, dem das Verbindungsleben fremd ist.


Wie kam es nun zur Gründung des CV-Philisterzirkels "Buchonia" in Fulda 1892?

Es ging eine lange Entwicklung voraus, bis es dazu kam.

Das vielfältige Farbstudententum, wie es heute in mehr als 2000 Korporationen der verschiedensten Richtungen, wie zum Beispiel Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften und religiösen Verbindungen anzutreffen ist, findet seine Wurzeln in den ,"Nationen" und "Bursen" der Universitäten des Mittelalters.

Nach den folgenden Landsmannschaften des 16. Jhs. und den Verwilderungen des Dreißigjährigen Krieges traten gegen Ende des 18. Jhs. unter Einfluß freimaurerischen Gedankengutes studentische Orden auf. Diese überwanden nicht nur die bisherigen Grenzen der Herkunft, sondern führten auch bereits das Lebensprinzip ein.

Das 19. Jh. brachte an den Universitäten manche Veränderungen hervor.Den noch von klassischen Idealen beseelten, sich aus den Landsmannschaften seit 1789 entwickelnden Corps folgte im Kampf gegen Napoleon seit 1815 die Burschenschaft als betont nationale studentische Vereinigung, die bald von Regierungen und akademischen Behörden scharf verfolgt, später stillschweigend geduldet wurde.

Die Entdeckung des Mittelalters und des einstigen großen Deutschen Reiches in der Romantik, das Erwachen eines allgemeinen politischen Bewußtseins, nicht zuletzt auch durch die allgemeine Schulbildung hervorgerufen, machte Studenten wie selbstverständlich zu selbstbewußten Führern der Nation in Form von Studentenverbindungen.

Vereint macht stark Man kann hier die Rektoratsrede von Johann Gottlieb Fichte von 1810 heranziehen, in der er die Störungen der akademischen Freiheit kritisiert. In den damals herkömmlichen Verbindungen sah er nichts anderes als einen Mißbrauch oder eine Parodie der Freiheit. die das Recht gäbe, unbelästigt von der Polizei zu tun, was beliebe.

So schlage akademische Freiheit in Unfreiheit um.Unter der Devise "Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland" entstand die Urburschenschaft, die für vaterländische und christliche Ideen eintrat. In der ersten Hälfte des 19. Jhs. beherrschtendie waffenstudentischen Verbände, wie Corps. Burschenschaften und Landsmannschaften, die sich neu formierten, das studentisehe Leben. Mehr und mehr setzten sich liberaleLebensauffassungen durch.

Religiöses und Weltanschauliches wurde bei den Korporationen nicht gepflegt.
Die Devise war nur noch. Ehre, Freiheit. Vaterland. Anders als bei der Urburschenschaff war Gott lautlos gestrichen.So kann es nicht wundernehmen, daß das Austragen von Mensur und Duell gar nicht mehr als mit den Gesetzen der Kirche im Widerspruch stehend empfunden wurde.

Diese geistige und religiöse Verflachung und Gleichgültigkeit sowie das Aufkommen des Marxismus waren typische Zeichen der Zeit, in der die gesunde Reaktion nur eines Anstoßes bedurfte.

Die wiederholten Übergriffe eines neuen Staatskirchentums sowie der Hohn und die Unbill, die den Vertretern und den Einrichtungen der katholischen Kirche fortgesetzt angetan wurden, stärkten das Selbstbewußtsein des katholischen Volkes. Den äußeren Anlaß gaben in der Hauptsache die Kölner Wirren im Jahre 1837, die in der Gefangennahme des Kölner Erzbischofs Clemens August zu Droste-Vischering durch den preußischen Staat gipfelten,und die Schmähungen der Katholiken anläßlich der Ausstellung des Hl. Rockes in Trier im Jahre 1844.

Aufrüttelnd wirkte die einflußreiche Publizistik eines Johann Josef von Görres. des " Sprechers der katholischen Deutschen im Kampf um ihre Rechte ". Allerwärts gewann katholisches Leben und Wirken an Bedeutung. Ein erster Höhepunkt war der Katholikentag 1848 in Mainz.

Die allgemeine katholische Volksbewegung griff auch auf die studentischen Kreise über. Sie empfanden das Bedürfnis, die Pflege gemeinsamer Ideale und Ziele durch engeren Zusammenschluß zu fördern und dem gemeinsamen Wollen größere Stoßkraft zu verleihen. Sie setzten sich bewußt ab von der geistigen und religiösen Verflachung des damaligen Studententums und gaben ihren studentischen Vereinigungen eine konfessionelle Basis In den äußeren Formen lehntensich diese neuen Korporationen stark an die bestehenden Vorbilder an, waren aber bemüht, dem studentischen Gemeinschaftsleben neuen Inhalt zu geben, aufbauend auf den von Anfang an bis heute gleichgebliebenen Prinzipien: Religion, Wissenschaft, Freundschaft und Vaterland.

So schlossen sich 1656 die 1851 in München gegründete Aenania mit der aus einem Leseverein in Breslau hervorgegangenen Winfridia zum " CarteIIverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen " (CV) zusammen.Auf Anregung der bereits 1844 entstandenen Bavaria, die 1866 dem CV beitrat, bildeten sich in Bonn fünf weitere katholische Verbindungen, aus denen der " Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas " (UV) hervorgegangen ist. Seit 1863 bestand ein Korrespondenzverhältnis mit dem " Kartellverband der katholischen Studentenvereine Deutschlands " (KV). Über die Frage des Farbentragens teilten sich die Wege 1866. Mit der Austria in Innsbruck faßte der CV schon sehr früh Fuß in Österreich.

Mitte des 19. Jhs. schälten sich trotz aller Vielfalt im studentischen Leben drei Hauptrichtungen heraus eine konservative, sich in religiöser und wissenschaftlicher wie auch politischer Hinsicht liberal, aber auch gesellschaftlich exklusiv gebende Richtung, eine christliche und eine politisch radikale.


"Die katholischen Korporationen haben die Geschichte der katholischen Kirche der letzten 150 Jahre entscheidend mitgeprägt" (so die deutschen Bischöfe vom 7. März 1990).

Man war sich einig in den letzten Zielen, aber verschieden je nach den lokalen Verhältnissen. So trat die älteste Verbindung Aenania zwar den Ausartungen des Studentenlebens entgegen, sie paßte sich aber völlig der studentischen Form an und trug mit ihren Farben mutig ihr Prinzip nach außen. Bei allem Ernst, der auch die schönen Tage der akademischen Freiheit durchziehen muß. verkannte man doch keineswegs den freien, fröhlichen Geist des deutschen Studententums.

Freundschaft für das Leben, auch im späteren Berufsleben! Das war mit eine Ursache für die Gründung der Altherrenzirkel. In zentral gelegenen Städten mit dem entsprechenden, überschaubaren Umland bildeten sich diese Gruppen, wo sich die Mitglieder der verschiedensten Berufe und Verbindungen des CV zusammenfanden und regelmäßig trafen, auch zu Festen mit den Familien.

So geschah es auch in Fulda, wo sich am 21.9.1892 CV-Mitglieder aus Fulda und dem Fuldaer Land zum Philisterzirkel "Buchonia" Nun, "keine Wirkung ohne Ursache" und oft hängt es dabei, besonders bei Vereinen, von einer Person, der Seele des Vereins, ab.

Die Bonifatiusstadt. das Herz des deutschen Katholizismus, konnte auch beim CV nicht außen vor bleiben. Bereits 1879 stand unsere Stadt im Blickfeld des CV, als die 15. Generalversammlung hier gehalten wurde. Der Verband war damals noch klein und zählte nur neun Verbindungen. Etliche Jahre später, 1889. fand die 25. Versammlung in Bochum statt, auf der ein Fuldaer, Dr Ernst Heitzmann, als Markomanne den Vorsitz über 17 Korporationen führte. Er war es schließlich auch, der als Initiator für die Gründung unserer " Buchonia " eintrat und warb, so daß drei Jahre danach dieser Philisterzirkel ins Leben trat.

Als Farben bestimmte man hellgrün-weiß-dunkelgrün, offenbar wegen der Stadtfarben Fuldas. Anregung für die Gründung kam wohl auch von Bischof Dr Georg Kopp (in Fulda 1881 -1887, danach Fürstbischof in Breslau und ab 1893 Kardinal), der im WS 1883/84 Protector Rhenaniae war.

Die heimatliche Presse nahm keine Notiz davon, weder die Fuldaer Zeitung noch das Fuldaer Kreisblatt, das meist amtliche Nachrichten und Reklamationen brachte. Es war die " Buchonia " ja auch nur ein Zusammenschluß von zunächst rund einem Dutzend Personen, die keinen öffentlichen Auftrag erfüllten. Aber unsere altehrwürdige " Academia " schrieb dazu in Nr 6 vom 13.10.1892, 5. Jahrgang, auf S. 153. was wörtlich angeführt sein möge:


" Fulda: Endlich ist es uns gelungen, am hiesigen Ort einen AHAH-Zirkel ins Leben zu rufen
Demselben gehören an: Die Versammlungen des Zirkels besuchten regelmäßig auch die Ehrenmitglieder der Rhenania: Seminarlehrer Joseph Kramer Fulda. Caplan Johann Joseph Krieg Fulda, Lokalkaplan Kling - Mittelkalbach. Außer diesen sehen wir häufig die hiesigen Akliven und Inaktiven des CV. Der AHAH-Zirkel hat sich den Namen: "Buchonia" zugelegt. Die Mitglieder in loco treffen sich am ersten Mittwoch eines jeden Monats in der "Harmonie", desgleichen mit den Auswärtigen am ersten Mittwoch eines jeden Vierteljahres. Die Geschäfte leiten als Vorsitzender Dr. Haas und als Cassierer Fuest."

Soweit die Mitteilung in der " Academia " .Der aus dem Eichsfeld stammende Franz Raabe war bekannt als politischer Kopf, er wurde später Pfarrer in Roßdorf und Erfurtshausen und starb 1952 in Mardorf.

Der Anfang war klein, aber mit dem Anwachsen des CV auf über 20 Korporationen wurden auch Fuldaer Studenten häufiger, so daß der Buchonenzirkel kräftig zunahm. Als regelmäßige Treffen waren die Stammtische beliebt. Um 1900 war die Zeit noch ruhig, noch ohne Kriegsgefahr. Der industrielle Aufschwung hatte auch Fulda erfaßt, das aber noch durch einen beschaulich-bürgerlichen, etwas biedermeierlichen Stil geprägt war.

Das " Feiern " war offenbar ganz groß geschrieben. So berichtete Anton Hartmann in seiner " Zeitgeschichte von Fulda " [1895] für das Gründungsjahr 1992, daß etliche Vereine, jeder für sich, zur Fastnachtszeit karnevalistische Feiern veranstalteten, so der Fechtklub, der Turnverein, der Radfahrverein, der Rhönklub,der Gartenbauverein, der Gesangverein " Liederkranz ". dazu der Josephsverein, der Gesellenverem und schließlich der Jünglingsverein. Da fehlte wirklich nur noch ein ,,Akademikerklub".

Es bestand zwar schon die am 18.10. 1869 von 20 Akademikern gegründete Gesellschaft " Schwarzer Walfisch " (bekannt nach dem Lied " Im Schwarzen Walfisch zu Ascalon " des Viktor von Scheffel), die auch heute noch besteht.Aber sie hatte keine hochgesteckten Ziele, und eine Absicht zur Integration in einen größeren, überörtlichen Verband war nicht vorhanden. Zweck war und ist regelmäßiges Beisammensein zu heiterer und ernster Unterhaltung im gemütlichen Rahmen; also Pflege der Geselligkeit und Entspannung. Anfangs fanden auch Theater. Bälle und Kommerse statt und sogar Essen mit Walfischfleisch.

Selbst der damalige Fuldaer Oberbürgermeister Franz Rang war Mitglied, wie auch Cver bis auf den heutigen Tag Mitglieder sind. Zu den einzelnen Gründungsmitgliedern des Philisterzirkels ",Buchonia " noch einige Bemerkungen; Der Kassierer war Fuest, der erste Direktor der am 20.10. 1890 gegründeten Winterschule, die ja heute noch " zwar sehr erweitert und unter einem umfassenderen Namen &uqot; weiterlebt.

Der erste Vorsitzende war Dr Theodor Haas, damals noch Oberlehrer am königlich-preußischen Gymnasium Kollegen Andreas Jung. Dr. Haas war ein ausgezeichneter Kenner der Fuldaer Historie. Zahlreiche Beiträge in den Geschichte- und Buchenblättern künden noch heute von seinen Entdeckungen und sind eine Fundgrube für weitere Forschungen. Sodann werden etliche Geistliche genannt. Diese sind den älteren Mitbrüdern noch gut in Erinnerung. 2 werden noch erwähnt: Joseph Kramer und der ihm besonders verbundene Johann Joseph Krieg, ein Großonkel des Schreibers. Dieser war 1847 in Großentaft geboren, studierte am Kleinen Seminar in Marberzell, einem Gymnasium, das Bischof Christoph Florentius Kott (1846 - 1873) eingerichtet hatte, und darauf am Großen Seminar Philosophie und Theologie. Mit 22 Jahren wurde er 1869 zum Priester geweiht. Er war im Kulturkampf (ca. 1870 -1880)Kaplan in Amöneburg Er mußte dort das Pfarrhaus verlassen, das der Staat unterhielt, und wohnte bei einer Familieam Markt. Die Gehälter wurden gesperrt. Am 20.5.1881 wurde er zum Ehrenmitglied der Rhenania Marburg ernannt. Offenbar war er ein treues Mitglied, denn bei seiner Beerdigung im Jahre 1924 chargierten die Bundesbrüder in voller Wichs.

Außerdem wird noch genannt Dr. Joseph Scherf (Rh), der aber offenbar später wegzog, da er im Verzeichnis der verstorbenen CVer nicht genannt ist. Schließlich steht dort der Name Heinrich Teschauer (Mm), Arzt in Eiterfeld, so daß sich die " Buchonia " bis in die Vorderrhön erstreckte, eben das Gebiet des ehemaligen Hochstifts Fulda umfassend.

Auffallend ist, daß Dr. Ernst Heitzmann (Mm, CnW, S-S. Aln), Sanitätsrat in Neuhof, Initiator der " Buchonia ", nicht genannt ist. Offenbar hat er selbst den Artikel in der Academia geschrieben und sich aus Bescheidenheit nicht erwähnt. Nach Haas war er dann selbst von 1396 bis 1910, also eine lange Zeit, Philister-Senior. Wie erwähnt, war er 1888/1889 Vorortspräsident gewesen und später auch Begründer des Kurhessiscnen Markomannen-Philister-Zirkels (gegründet am 26 4 1910 in Fulda).

Nach ihm kam als Philister-Senior der Buchone Dr. Carl Laudenbach (Sx, Mm). Zahnarzt in Fulda, der im Gründungsjahr der " Buchonia ", 1892, bei Saxonia Münster aktiv wurde. Er war Senior von 1910 bis 1912 und noch einmal von 1917 bis zu seinem Tode im März 1918. Es folgte Sanitätsrat Dr August Marquardt (Mm, E), praktischer Arzt in Großenlüder von 1912 bis 1914, ebenfalls nicht genannt in der Academia, aber Mitbegründer des Zirkels 1913. Unter beiden letzteren wurde die Satzung editiert.

Nennen müssen wir wohl auch bei den regelmäßigen Stammtischbesuchem

Zu erwähnen sind auch etliche Geistliche der Region Fulda so Caspar Schick (Rh), Pfarrer und Geistlicher Rat in Fulda;

Die übrigen Geistlichen, die dem Zirkel angehörten, waren:

Außerdem gehörten noch zu den frühen Zirkelmitgliedern als aufrechte CVer:

Ebenso echt waren auch die lieben CV-Freunde.

Erwähnt seien auch noch die Stammgäste:

Unter denen, die nach dem 1. Weltkrieg zum CV stießen, ist auch Dr. Hermann Muth (H-Na, M-F) Stadtverordnetenvorsteher von Fulda (1952 - 1964) und Philistersenior (1951 -1957 und 1959 -1963), ein besonderer Freund von Dr. Emil Weber, von dem später noch gesprochen wird. Das tragische Ende unseres lieben Cbr. Konrad Trageser (H-Na), Pfarrer in Marbach, gest. 14. 1. 1942 im KZ Dachau. wird an anderer Stelle behandelt sowie auch das hervorragende Curriculum des großen Fuldaer Oberbürgermeisters (1946 -1956) Dr. jur Cuno Raabe (Rh, BvBI, TsK), der nur mit Hilfe der göttlichen Vorsehung vom Tod, durch die Nazis geplant, gerettet wurde. Die Genannten verdienen es, namentlich erwähnt zu werden. Durch deren Treue leben wir im Philister-Zirkel weiter.

In der "Academia" werden die Mitglieder der "Buchoma" 1892 namentlich genannt, die dann auch an den Stammtischen teilnahmen am ersten Mittwoch eines jeden Monats (wie übrigens heule), damals in der "Harmonie"(heute Aktiendruckerei/Fuldaer Zeitung). Im Treppenhaus des Verlages ist noch ein altes Glasfenster aus der Zeit der "Harmonie" zu sehen. Die Auswärtigen kamen nur am ersten Mittwoch im Vierteljahr; begreiflich wegen der schwierigen Verkehrsverhältnisse.

Der Stammtisch war regelmäauml;szlig;iger Anlautpunkt und ist es eigentlich auch heute noch. Gerade an einem solchen des Philisteriums wird es immer wieder interessante Themen geben. Sind doch gewöhnlich alle Fakultäten vertreten, so daß man Probleme von verschiedenen Seiten aus behandeln kann.

Unterhaltungsstoff über aktuelle Ereignisse gab es genug. Etliche CVer waren politisch aktiv und konnten darüber berichten und von ihren Cartellbrüdern neue Impulse empfangen. Zu nennen sind hier

Etliche CVer aus unserem Zirkel hatten engen Kontakt zu Dr. August Crone-Münzebrock (Sb), Reichstagsabgeordneter des Zentrums für den Wahlkreis 19, zu dem Fulda gehörte (1924 - 1933), und zu dem im Dienste des Auswärtigen Amtes stehenden Dr. jur. Hans Kroll (WT), später Botschafter in Moskau (1958 -1962), um bei ihnen politische, kulturelle und auch persönliche Ziele zum Wohle der Cartellbrüder durchzusetzen.

Hier sei eine Episode erwähnt, die sich um Domkapitular Prof. Dr Viktor Thielemann (Mm), Stadtverordneter für das Zentrum (192D -1933), zugetragen hat. Im Stadtverordnetenparlament hatte er als Vorsitzender der Zentrumsfraktion, die weit über die absolute Mehrheit verfügte, ein gewichtiges Wort mitzureden. Es wird erzählt, daß er mit dem Bleistift die Abstimmungen diktierte. Wenn er ihn gerade herunterhielt wie zum Schreiben, so hieß dies, mit Nein zu stimmen.Wenn die Spitze nach oben schaute, war mit Ja zu votieren. Thielemann legte sein Mandat am 25. 7. 1933 nieder, wegen der Nazizeit verständlich. Außerdem war im Reichkonkordat von 1933 festgelegt, daß katholische Geistliche sich nicht aktiv am politischen Leben beteiligen sollten, was sich auch als Vorteil erwies.

Aber bald nach 1892 zeichneten sich außer dem Stammtisch auch andere Veranstaltungen ab, die besondere Akzente setzend,zur Tradition wurden. Im Sommer war es das Röhlingswaldfest, eben in der Nähe Fuldas, da das Auto noch fehlte, das familiär gestartet wurde. Auch die Bachmühle, noch näher an der Stadt, wurde gern mit den Familien aufgesucht.

Vor allem das Weihnachtsfest war von besonderem Glanz, verbunden mit dem Festdiner und dem Gesang von weihnachtlichen Liedern. Es hatte sich später herausgebildet, daß auch solistische Darbietungen von Söhnen und Töchtern der Carteller einbezogen wurden und daß vor allem ein Festvortrag mit gewichtiger Thematik im Mittelpunkt vor dem Ball, der durch eine Damenrede belebt wurde, stand.

Der Redner, meist abwechselnd aus den verschiedenen Fakultäten genommen, wurde beim CC am Buß- und Bettag vorher bestimmt. Dadurch wurden viele, auch gerade ältere Mitglieder mit Angehörigen, motiviert zu erscheinen.

Bald gesellte sich, entsprechend der Wanderlust der rhönbegeisterten Fuldaer, das Kreuzbergfest dazu. Mit der Bahn ging es nach Gersfeld, von da zu Fuß bis hinauf. Dann schmeckte das altbewährte Bier beim reichlichen Mahl sehr gut. Sodann gab es eine zünftige Kneipe mit Bierorgel und viel Humor Der manchmal wohlbeleibte Pater "Quadrian" begrüßte die Corona selbstverständlich, und so ging es jahrelang. Gedacht sei unseres lieben Dr. med. dent. Bernhard Hommens (Rh), der viele Jahre lang mit Humor und Scherz das Präsidium führte.

1930 fand das 20. Kreuzbergfest statt. Schade, daß trotz mehrfacher Bemühung in den letzten Jahren dieses so beliebte Fest unseres Zirkels, wohl auch wegen des Publikumsverkehrs, nicht mehr stattfinden kann. Früher wurde dann nach der Übernachtung der Sonntagsgottesdienst in der großartig hergerichteten Barockkirche abgehalten.

Zu Pfingsten gab es auch den üblichen Ausflug mit Damen zur Milseburg. Sommerfeste mit Tanz, die die Familien vereinten, wurden nicht vergessen. Sie fanden im Bürgerverein statt (wo heute das Kaufhaus Kerber steht) So wird im Jahre 1910 besonders erwähnt:


",Ein großer Couleurbummel zog durch die Stadt, und ein Schoppen auf der Hauptwache schloß diese prächtige Veranstaltung ab" (so die Presse).
Hinzu kamen persönliche Anlässe zum Gedenken, Namens- und Geburtstage, Hochzeiten, Taufen usw. Natürlich kam auch der Humor nicht zu kurz, und manche Carteller zeichneten sich dabei besonders aus So spielte also die Fidelilas und Fidulitas immer wieder eine rechte Rolle beim Stammtisch unter dem Wimpel des Buchonenzirkels. Zeitweise wurden auch die Zusammenkünfte in der Tageszeitung inseriert. So war regelmäßig zu lesen (in guter Aufmachung):"Philisterzirkel Buchonia-CV-Stammtisch in der Harmonie" (oder im Kurfürst usw.) und daneben auch die Annonce: "Philisterzirkel Pfahlbau des KV". Für viele, auch für mich, war es der erste Kontakt mit diesem Kreis. Auch die Totenehrung eines Mitglieds war selbstverständliche Pflicht für alle. Der Senior gab nach altem Brauch im Kreise vieler Freunde plen. col. den Verstorbenen Band und Mütze ins Grab nach einer geziemenden Gedächnisrede. Jedes Jahr gedachte man beim CC und im Gottesdienst in der Severikirche der toten Cartellbrüder, wie es heute noch üblich ist.

Die Zeit des Ersten Weltkriegs unterbrach diese frohen Bräuche natürlich sehr. Viele Cartelibrüder wurden eingezogen, und der Philisterzirkel hatte insgesamt 12 tote Mitglieder zu beklagen. Aber der Kontakt riß auch hier nicht ab, vor allem beim Heimaturlaub der Landser So vermeldet eine Notiz vom 12. 9. 1917 in der Fuldaer Zeitung folgendes:


" Die Mitglieder des CV in Stadt und Land, insbesondere die auf Urlaub anwesenden Feldgrauen, verweisen wir auf eine Bekanntmachung im Anzeigenteil der heutigen Nummer, wonach die regelmäßigen Zusammenkünfte des Philisterzirkels "Buchonia" am 2. Donnerstag und am 4 Montag des Monats von jetzt ab in der Hauptwache (reserviertes Zimmer) stattfinden."

Leider mußte auch das silberne Jubiläum der "Buchonia" ausfallen. Es hätte am 21 9. 1917 stattfinden müssen, was aber die Kriegszeit und damals auch schon Notzeit verhinderten. Selbst die Tageszeitung brachte zu diesem Tag keine Notiz von der 25. Wiederkehr des Gründungstages. Auch beim 50-jährigen Jubiläum des Philisterzirkels am 21. 9. 1942 war eine Feier nicht möglich. Wieder war schlimmste Kriegszeit und der Cartellverband seit dem 28. 10. 1936 durch die Nationalsozialisten verboten. Er lebte aber weiter, und zwar unter der Tarnkappe des Kegelklubs (vgl. eigenes Kapitel).

Die Lokale der Fuldaer Zusammenkünfte wechselten. Vor dem Ersten Weltkrieg war es der Bürgerverein, wo man sich traf, mitunter auch mit Damen. Der Bürgerverein war 1832 in Fulda gegründet worden Das Bürgerveremshaus wurde 1920/21 umgebaut. 1931 gehörten dem neugewählten Vorstand an:

Am 20. 4. 1934 (Adolf Hitlers Geburtstag) übergab der Oberbürgermeister Dr. Franz Danzebrink (KV) das Bürgervereinshaus der "Arbeitsfront" und der "Kraft durch Freude". Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus dem Bürgervereinshaus ein "Europahaus" und "Amerikahaus", bis 1956 nach einer Zwangsvollstreckung und Versteigerung durch Amtsgerichtsrat Dr Burchard der Komplex an Karl Kerber für 1.280.000 DM überging, der ein Kaufhaus auf dem Gelände errichtete.

Dem Bürgerverein gehörten viele CVer an, und es ist daher verständlich, daß auch gesellschaftliche Veranstaltungen von "Buchonia" dort stattfanden. Mitglieder waren u.a. Dr. Carl Laudenbach seit 1897 und RA Richard Schultheis von 1907 bis zu seinem Tod 1942. Er gehörte nicht dem Vorstand an.

Kleinere Gruppen fanden sich jeden vierten Donnerstag im Monat im Bahnhofshotel ein. Auch die Vorveihnachtsfeste fanden im Bürgerverein statt. Über viele Jahre traf man sich auch in der Windmühle. Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und den durch ihn ausgelösten Zusammenbruch der jahrhundertealten, ständisch gegliederten, monarchistischen Ordnung hatten nach abgeschlagener bolschewistischer Revolution eine verständliche Lebensfreude zur Folge.

In diesem rosigen Lichte froher Erinnerungen stehen jene "goldenen Jahre" noch im Bewußtsein vieler. Man tagte damals in der Harmonie. In dieser Zeit waren die Samstag-Dämmerschoppen in der Windmühle sehr beliebt. Hierzu kamen nicht nur die Fuldaer, sondern auch die zum Zirkel gehörigen Auswärtigen der Landkreise Fulda, Hünfeld und Gersfeld, wo ein Cbr. Dr jur Heinrich Wiechens (R-GK, PG, Sv, Hr), als Landrat fungierte.

Besonders am Karsamstag, als noch die Auferstehungsfeier am Morgen dieses Tages begangen wurde (geändert beim II. Vatikanskonzil), feierte man bereits am Abend vor Ostern die Auferstehung des Herrn, auch das Ende des Fastens. Ebenfalls nach der Fronleichnamsprozession unter geschlossener Beteiligung pleniscolorbus gab es im Kurfürst ein frohes Treffen. Auch um den Kindern eine Freude zu machen, führten zwischen 1920 und 1930 die Kinderfeste des Zirkels,meist in der Bachmühle durchgeführt, die Familien zusammen.

Auch an die Jugend dachte man weitblickend in den, scherzhaft "CV Heiratsmarkt" genannten, gesellschaftlichen Veranstaltungen in Bronnzell und Ziegel. Eine alle Buchonen mit Stolz erfüllende Freude war der Besuch des päpstlichen Nuntius Eugen Pacelli (Tfs), des nachmaligen Papstes Pius XII. (1939 -1958), vom 5. bis 8 Juni 1926 in Fulda.

Die Fuldaer CVer ließen es sich nicht nehmen, ihrem Cartellbruder ihre Huldigung darzubieten. Cbr Andreas Rhiel (Rh) richtete von der Treppe der philosophisch-theologischen Hochschule aus an den im Erkerfenster des Priesterseminars stehenden Nuntius eine Grußadresse. Cbr. Prof. Dr. Eduard Schick (BvBo, M-F, NbB, Rh, H-Na, Bischof von Fulda 1974 -1983) hat das als Konviktschüler miterlebt.

1935 zwangen die Nationalsozialisten den CV zur Selbstauflösung. 1938 wurde er verboten. Aber man gab nicht auf. In der Hoffnung auf Änderung der Verhältnisse trafen sich im Freundeskreis Fuldaer CVer weiterhin in der Windmühle. Sie machten Ausflüge n die Rhön und pflegten die Gesellschaft mit den im Umland wohnenden Cartellbrüdern. In der besonders für Akademiker gegründeten vereinsfreien "Rabanusgemeinde' ging die geistig-religiöse Betreuung weiter. Die Hoffnung der CVer wurde nicht betrogen.


Lieber Leser, diese Geschichte endet nicht an dieser Stelle
Fortsetzung folgt ...
Text stammt aus dem Festbuch zum 100jährigen Bestehen der Buchonia im CV Fulda