Neubeginn für den Philisterzirkel "Buchonia" nach dem 2. Weltkrieg

Nach Wiedereröffnung der Universitäten und Hochschulen nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das vor der Verbotszeit blühende Verbindungswesen innernalb der nach fünf Kriegsjahren stark überalterten studentischen Nachkriegsgeneration nur sehr zögerlich zu neuem Leben erweckt werden. Wer als Gründungsmitglied einer CV-Korporation beigetreten ist, wird bestätigen können, wie schwierig es in den ersten Jahren nach dem totalen Zusammenbruch war, geeignete Kommilitonen für die Verbindung zu gewinnen. Aus durchaus begreiflichen Gründen glaubten die meisten, keine Zeit für ihr Studium verlieren zu dürfen!

In der Regel ist es besonders engagierten Alten Herren gelungen, ihre Korporation an der Universität neu zu gründen, teilweise unter großen Mühen und persönlichen Opfern. Demgegenüber suchten und landen die Philister, besonders auf lokaler Ebene, verhältnismäßig schnell Kontakt zueinander, und die Wiedergründung der Altherrenverbände und der örtlichen Philisterzirkel vollzog sich häufig ungefähr zeitgleich. Immerhin dauerte auch das eine geraume Zeit, sicherlich bedingt durch die große Not der Nachkriegszeit.

Die Konstituierung des CV-Philisterzirkels "Buchonia" erfolgte unter Beteiligung zahlreicher Cartellbrüder am 29. April 1948 im Hotel "Windmühle". Die Vorbereitungsarbeiten zur Gründungsversammlung haben, wie der erste Nachkriegs-Philistersenior protokollarisch festgehalten hat, die Cartellbrüder Prof. Dr, Emil Weber, Dr. Hermann Muth, Prof. Dr. Wenz, Dr. Karl Becker, Dr. Anton Klein und Karl Orlob maßgeblich geleistet. Außer Cbr. Orlob hatten alle dem Kegelclub "Buchonia" angehört. Kamen also "aus dem Widerstand"! Zum Philistersenior wurde Cbr. Dr. Karl Becker gewählt und zu weiteren Vorstandsmitgliedern Dr. Anton Klein, Dipl.-Volkswirt Karl Orlob und Studienrat Ernst Schüller bestimmt. Unter dem Vorsitz Cbr. Beckers in den Jahren 1948 bis 1951 entfaltete der Fuldaer CV-Philisterzirkel eine rege, vielfältige Tätigkeit. Er gewann in kurzer Zeit eine angesehene Stellung in der Öffentlichkeit, und das sicher nicht zuletzt dadurch, daß angesehene Persönlichkeiten einschließlich des Stadtoberhauptes dem CV zugehörten und sich auch zu ihm bekannten.

Der Vorstand war fast immer geschlossen am "Stammtisch" vertreten, verstand es die Cartellbrüder anzusprechen, zu motivieren und zu aktivieren Die Teilnehmerzahl erhöhte sich von Veranstaltung zu Veranstaltung. Die "Stammtische", an denen man sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat zu Gespräch und Diskussion in geselliger Runde traf, erfreuten sich allgemeiner Beliebtheit, waren dementsprechend sehr gut besucht und förderten spürbar das Zusammengehörigkeitsgefühl der Fuldaer CVer in der sogenannten Gründerzeit.

Auch Studenten von Fulda-Stadt und -Land, die in den verschiedensten CV-Verbindungen aktiv waren, wurden während der Semesterferien in das Leben des Philisterzirkels eingebunden. Einmalig ist wohl geblieben, daß der Vorstand einen Betreuer für die Aktiven bestimmte, der die Anschriften der Studenten ermittelte, die jungen Cartellbrüder bei der Fuldaer Altherrenschaft bei Gelegenheit einführte und für Einladungen zu besonderen Veranstaltungen des Philisterzirkels Sorge trug.

Vor dem Weihnachtsfest lud er beispielsweise die Studenten zu einem Gespräch ein und gab entsprechende Hinweise. Eine Praxis, die auch später noch häufig geübt wurde! Alle, die damals als junge Cartellbrüder die Verwirklichung unseres Prinzips "amicitia" durch Cbr. Guido Seibert miterleben durften, werden den rührigen, freundlichen und hilfsbereiten, noch jungen Alten Herren, der, wenn angezeigt, mit Kritik durchaus nicht sparte, in dankbarer Erinnerung behalten und ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Er starb als Oberfeldarzt 1970 im Alter von 54 Jahren.

Ein besonderes Verdienst des Philisterseniors und seines Vorstandes besteht vor allem auch dann, sich intensiv darum bemüht zu haben, unsere heimatvertriebenen Cartellbrüder in die Fuldaer CV-Familie zu integrieren und ihnen dadurch zu helfen, in ihrer neuen Heimat Wurzel zu schlagen. Wir danken es Cbr Dr. Karl Becker, einen Überblick über eine für die damalige Zeit erstaunlich dichtgedrängte Veranstaltungsreihe vermitteln zu können, die er selbst aufgezeichnet und uns hinterlassen hat.

Neben den regelmäßig stattfindenden "Stammtischen" wurden von 1948 bis 1951 folgende Veranstaltungen durchgeführt:

Das verhältnismäßig sehr umfangreiche Angebot von Begegnungen ohne und besonders mit Damen weist Karl Becker allein schon aus als einen äußerst rührigen Philistersenior als den richtigen Mann am richtigen Platz in einer Zeit, in der die meisten Cartellbrüder noch einen harten Existenzkampf zu bestehen hatten. Tatkräftig wurde er von den anderen drei Vorstandsmitgliedern bei seiner Aufgabe unterstützt.

Als traditionsbewußter Mensch nahm Cbr. Dr Becker neben den "Stammtischen" die vor der Verbotszeit des CV regelmäßig durchgeführten Veranstaltungen sofort in sein Jahresprogramm auf, so die Weihnachtsfeier, das Kreuzbergfest u. a. Vor allem die Weihnachtsfeiern im ersten Jahrzehnt nach der Wiedergründung des CV-Philisterzikels verdienen lobend hervorgehoben zu werden Es waren glanzvolle Feste, gesellschaftliche Ereignisse, von denen in Fulda gesprochen wurde, obwohl sie jahrelang als exclusive CV-Farnilienfeiern begangen worden sind.

Allen Teilnehmern, den Mitgliedern des Philisterzirkels mit ihren Familienangehörigen, den Aktiven und den wenigen, eigens vom Vorstand eingeladenen Gästen, sind sie in dankbarer Erinnerung geblieben! Die Weihnachtsfeier begann mit einem Empfang durch den Vorstand, woran sich der gemeinsame Einzug in den mit Kerzen beleuchteten Festsaal anschloß. Es folgte der hoch offizielle Teil der Veranstaltung mit der Begrüßung durch den Philistersenior und der Festansprache eines Cartellbruders, meistens von beachtlichem Niveau, die zunächst in jährlichem Wechsel von einem Theologen und einem Laien gehalten wurde.

Die musikalische Umrahmung übernahmen in der Regel Angehörige des örtlichen Philisterzirkels. Stellvertretend für alle seien genannt: Frau Bogner und Frau Gerhard, die Gattinnen zweier Cartellbrüder, die Cartellbrüder Dr. Hermann Böschen und der unvergessene, liebenswerte Albert Walter sowie Klaus-Dieter Feldmann, der spätere langjährige Phihstersenior der "Buchonen". Gemeinsam gesungene Weihnachtslieder leiteten manchmal erst zu vorgerückter Stunde zum inoffiziellen Teil über mit Tanz nach den Klängen einer renommierten Kapelle, der durch eine vom Philisterconsenior (XX) angeführte, meist sehr einfallsreiche Polonaise begann!

Cbr. Dr. K. Becker, der seinen Wohnsitz in Fulda behielt und weiterhin eifrig an den Veranstaltungen teilnahm, hat sich um Wiedergründung und Ausbau des CV-Philisterzirkels "Buchonia" große Verdienste erworben! Ludwig Vey (PM)

Dr Karl Becker wurde Mitte 1950 an ein Finanzamt in Frankfurt versetzt und legte deshalb im November 1951 den Vorsitz im Philisterzirkel nieder Auch die übrigen Vorstandsmitglieder verzichteten auf eine erneute Kandidatur. Mit ihnen ging die "Nachkriegsära" des Fulaer CV-Altherrenverbandes zu Ende.

Ludwig Vey (PM)